Trostlos. So wirkt die Betonkulisse Königshufens im Februar auf Joel, Stefan und mich, als wir aus dem Auto aussteigen. Das Grün vor den Häusern und das Leben auf den Spielplätzen, wie man es im Sommer in diesem Stadtteil beobachten kann, verblasst in der Erinnerung.
Wir gehen auf einen niedrigen Betonkomplex zu. Zwei Etagen hoch mit Treppe davor. An der Tür ein Schild, dass darauf schließen lässt, dass das Gebäude mal eine Rolle in der Verwaltung des Wohnquartiers gespielt hat. Die Klingelanlage wurde rückgebaut. Dafür finden wir fünf Funkklingeln provisorisch an die Wand geschraubt. Auf einer die Aufschrift „Modelleisenbahn“. Wir klingeln.
Nichts passiert. Wir klingeln erneut. Nichts.
Zum Glück haben wir das Smartphone dabei. In einer Mail eine Telefonnummer und der Hinweis „1. OG links“. Wir drücken die Tür. Sie ist offen …
Die Treppe rauf, Geruch wie aus Schul- und Kindergartenzeiten steigt in die Nase. Oben angekommen geht’s links zur Tür hinein. In einem Vorraum stehen hochkant Holzplattenkonstruktionen, die auf Modellbau hinweisen. Wir sind scheinbar richtig.
Die nächste Tür steht einen Spalt offen. Wir klopfen an und erblicken das uns mittlerweile gut vertraute Gesicht von Ingo. Ingo ist seit mehreren Jahrzehnten EU-Rentner und wird uns später beim Besuch sagen: „Wenn ich den Modellbau nicht gehabt hätte, wäre ich wahnsinnig geworden.“ Er ist Teil der Görlitzer Oldtimer Parkeisenbahn, die neben der Landskron Brauerei.
Er steht hinter einer Modellbahnplatte von ca. 4x3 Metern, in Schlappen auf gepflegtem Teppichboden. Ich frage mich sofort: „Hätten wir Hausschuhe mitbringen sollen?“
Warum sind wir überhaupt hier?
In den Lockdownphasen haben wir wiederholt angeboten, sich einen 3D Drucker in die eigenen vier Wände zu holen und die Technik angeleitet zu nutzen. Ingo hat sich mehrfach einen unserer Drucker ausgeliehen, bis er Ende 2021 selbst einen gekauft hat. Für Modellbau seien “die Dinger“ Weltklasse. Vor allem, wenn die Hände im Alter nicht mehr so fein arbeiten wollen, um Modelle zusammenzukleben.
Wir sind begeistert von der Liebe zum Detail, die im Modell zu erkennen ist. Und fragen uns sogleich, welche Teile wohl unserem 3D Drucker entstammen. Leitplanken, Treppen, Bänke, Verkehrsschilder, Bahnsteigtafeln, Gehwegplatten und sogar eine komplette Tankstelle hat Ingo nicht nur ausgedruckt, sondern sogar selbst entworfen. Zum Modellieren von 3D Modellen gibt es so einige Programme. Ein sehr einfaches ist TinkerCAD. Das kostenlose Programm bedient man durch Stapeln und Aneinanderbauen von Elementen, ähnlich wie Holzklötzen. Das bietet schnelle Erfolge, schränkt aber auch sehr in der Bedienung ein. Wir nutzen das Programm sehr gern, um Anfänger:innen Lust aufs 3D-Modellieren zu machen. Umso erstaunter sind wir, dass Ingo mit diesem Programm sogar ganze Häuser entwirft.
Für uns ist klar: Modellbau und 3D Druck – das passt zusammen. Wir unterhalten uns über Wege, Modellbauer:innen aus Görlitz zusammenzubringen und die vielfältigen Möglichkeiten von 3D Druck noch weiter zu verbreiten. Dabei erfahren wir, dass es auch gar keine Modellbauausstellung mehr in Görlitz gibt. Weder im Rosenhof, noch in der Brauerei. Eine Angebotslücke, die wir gern schließen!
Wir verabschieden uns von Ingo. Immerhin ist in einer Stunde offener Makerspace. Ingo wird mit dabei sein und uns wenig später auf dem Rad folgen. Wir verlassen Königshufen, doch verbinden es nun mit einem weiteren Bild: eine lebendige, liebevolle und bunte Miniaturwelt, die so einige Überraschungen bereithält.
Als nächstes geht es in die offenen Werkstätten des Tagwerk Bautzen, wo wir uns auch mit den Ganzmachern treffen.