Hallo! Mein Name ist Benno und ich habe fünf Wochen Praktikum in den Rabryka hinter mir, welches ich im Rahmen meines berufsbegleitenden Studiums an der EHS Dresden absolviert habe. Seit fast fünf Jahren bin ich bereits in der Stadt Bautzen im Bereich der Mobilen Jugendarbeit beim Steinhaus e.V. tätig. Nun hatte ich die großartige Chance, im Rahmen meines „Dokumentations- und Beobachtungspraktikums“ bei einem anderen Soziokulturzentrum reinzuschnuppern und den Blick über den Tellerrand zu wagen.
Die Rabryka und insbesondere die Arbeit des Second Attempt e.V. war mir zugegebenermaßen nicht gänzlich neu, denn ich war bereits einige Male Gast bei verschiedenen Veranstaltungen, insbesondere Konzerten und dem legendären Fokus Festival. Ich verliebte mich auf Anhieb in die Industriearchitektur, den herrlichen Freiraum und die scheinbar unendlichen kreativen Möglichkeiten auf dem mystischen Gelände. Irgendwie erinnerte mich alles auch an meine Studienzeit in Leipzig und die verwunschenen Industriebaracken im Westen der Stadt. Die Rabryka hatte also alles, was meine romantischen Vorstellungen von Großstadtidylle vereinte. Ich musste deshalb auch nicht lange überlegen, wo ich im Praktikum fünf Wochen lieber arbeiten wollte.
Nun stand mein Praktikum natürlich im Zeichen der beginnenden 4. Corona-Welle und einem sich abzeichnenden grauen Herbst. Das machte aber nix, denn statt lange Abende bei Konzerten oder anderen Veranstaltungen in der Rabryka, lernte ich das Görlitzer Nightlife schneller kennen, als gedacht. Egal ob im "Hotti", der "Hospi", in der "Harten9" oder einfach in irgendwelchen WGˋs — irgendwo ging immer was. Zum Glück hatte ich auch immer einen Schlafplatz in der Künstlerwohnung, denn mit dem Auto nach Bautzen hätte ich so einige Abende nicht mehr fahren können — und wollen. Manchmal fühlte ich mich wie mit 21 im Auslandssemester. Görlitz lebt, das habe ich erfahren! Und in Görlitz leben sehr nette Menschen, das habe ich schon am ersten Tag gelernt.
Die tägliche Arbeit in der Rabryka gestaltete sich durch die freundliche Aufnahme ins Team als ausgesprochen abwechslungsreich und immer auf Augenhöhe mit den Kolleginnen und Kollegen. Nie hatte ich das Gefühl Praktikant zu sein, sondern vielmehr willkommene Unterstützung in einer durch Corona und den Umzug in das neue Gebäude besonders herausfordernden Zeit. Das motivierte mich. Sehr gern unterstützte ich vor allem Robert und Romy bei allen anfallenden Tätigkeiten und half zum Beispiel bei den organisatorischen Vorbereitungen für ein Netzwerktreffen. Ich konnte bei verschiedenen Treffen mit Partnern aus dem Sozialraum teilnehmen und mir einen Überblick über die bedeutende Arbeiten des Vereins in der Nachbarschaft verschaffen. Diese Erfahrung hat mir erneut die Notwendigkeit von stadtteilorientierter Gemeinwesenarbeit, zusammen mit den Menschen aus dem Stadtteil und die besondere Rolle von Ehrenamt deutlich gemacht — Insbesondere vor dem Hintergrund von Strukturwandel und weiteren gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft.
Die Rabryka ist, das ist mir in dieser Zeit bewusst geworden, ein extrem wichtiges Bindeglied in dieser Stadt. Alle Menschen in der Rabryka sind Botschafter, Vermittler, Ansprechpartner und Moderatoren auf ganz vielen Ebenen — ganz egal ob Besucher:in oder Mitarbeiter:in. Als mir dies immer deutlicher bewusst wurde, hatte ich das folgende Bild vor Augen: Die Rabryka ist kein kleines Piratenschiff mehr. Sie muss sich auch nicht mehr verstecken. Die Rabryka ist zu einem Schlachtschiff für den „Aufbruch der Görlitzer Jugend“ geworden. Die Besatzung steht bereit und ist jeden Tag für die gute Sache an Deck. Das hat mich sehr beeindruckt! Ich habe heute die Hoffnung, dass im Fahrwasser der Rabryka irgendwann wieder neue kleine Piratenschiffe mitfahren können, die den Mut bekommen, an anderen Stellen der Stadt weitere Orte der Kultur und Gemeinschaft zu schaffen und so auch weiterhin zu einer jugendfreundlichen Stadt Görlitz beitragen.
Zurückblickend möchte ich die atemberaubende Zeit in Görlitz nicht mehr missen und alle Interessierten unbedingt ermutigen, die Rabryka kennenzulernen. Denn sie ist sehr gut!
Benno
Rabrykant vom 04.10. - 10.11.2021
PS: Liebes Team der Rabryka, kommt gut durch diese beschissene Zeit. Wir sehen uns spätestens und ganz sicher beim nächsten Fokus.
Anmerkung der Redaktion:
Den Beinamen "Meisterspion" hat sich Benno schon vor Beginn seines Praktikums bei uns erworben. Wir fanden es einfach amüsant, dass ein Mitarbeiter einer ähnlichen Einrichtung zu uns kommt und die Frage mitbringt "Wie funktioniert die RABRYKA?". Das hat etwas von abgucken und ist mit einem großen Augenzwinkern verbunden. Zumal das Abgucken auch und vor allem in anderer Richtung zu verstehen ist. Wir haben durch ihn auch sehr viele Eindrücke der Arbeitsweise im Steinhaus erhalten.
Für die reflektierende Zeit danken wir dir, Benno sehr und freuen uns, die Bindung zum Steinhaus durch dich zu intensivieren.