Görlitz, 12.06.2019
Liebe Freunde der RABRYKA,
in den letzten Wochen mussten wir uns immer wieder Vorwürfe gefallen lassen ohne darauf adäquat reagieren zu können. Einerseits wurde von Herrn Wippel behauptet, dass die RABRYKA ein Jugendclub sei (1), andererseits, dass wir Unwahrheiten über sein Programm verbreiten würden (2) und dass sich nicht alle Jugendlichen bei uns repräsentiert fühlten (3). Er verlangt die Kürzung von Fördergeld fressenden Prestigeprojekten, um Jugendarbeit in der Fläche zu fördern. (4) Dazu gibt Christian Thomas, Vorstandvorsitzender des Second Attempt e.V., folgende Stellungnahme heraus:
Zunächst freuen wir uns, dass die RABRYKA mit den Projekten in den vielen Diskussionen zur OB-Wahl eine gesonderte Rolle gespielt hat. Wir begreifen dies als Zeichen, dass wir mit unserer Arbeit, vor allem mit dem Thema Beteiligung und Empowerment, in den Fokus der Politik rücken und eine Rolle in der Stadtgesellschaft spielen.
Was ist der Unterschied zwischen einem Jugendclub und einem soziokulturellen Zentrum?
Das schaffen wir vor allem dadurch, dass wir ein Zentrum für Jugend- und Soziokultur sind bzw. eine Plattform, an der wir Menschen an der Gestaltung ihrer Stadt beteiligen. Dies geschieht auf unterschiedlichste Weise wie bspw. durch den Stadtteilgarten, durch die Jugendgruppe A-Team und dadurch, dass wir Impulse von Bürger:innen aufnehmen und gemeinsam Projekte umsetzen, wie zum Beispiel die Koordination der beiden Lastenradstationen. Außerdem beschäftigen wir uns mit bundesweiten Trends wie „MakerSpaces“ oder „HackerSpaces“, Robotik sowie Digitalisierung und kooperieren mit vielen Schulen im Bereich der kulturellen Bildung und der Demokratiebildung. Außerdem unterstützen wir Initiativen, wie das Café Hotspot, in dem wir eine sichere Struktur bieten, um die Integrationsarbeit zu professionalisieren und langfristig zu sichern. Wir setzen uns damit aktiv mit stadtrelevanten Themen auseinander und suchen gemeinsam Lösungen für Konflikte. Darüber hinaus sprechen wir nicht nur Schüler:innen an, sondern auch Studierende, Erwachsene und Senioren. Insbesondere im Reparatur-Café, in der Linux-User-Group, in der Initiative für Altersarmut und auch im Stadtteilgarten sind Menschen bis 80 Jahre aktiv. Uns ist kein „Jugendclub“ bekannt, der derartige Arbeit leistet.
Nicht nur inhaltlich unterscheiden wir uns von Jugendtreffs oder -clubs. Die Betreibung von Jugendtreffs ist organisiert und finanziert durch den Landkreis Görlitz und dem SGB 8. Der Second Attempt e.V. bezieht darüber keine Mittel und sieht sich dementsprechend nicht in der Verantwortung Aufgaben des Landkreises zu übernehmen ohne einen Auftrag vom Landkreis erhalten zu haben.
Wie kann Jugendarbeit in der Fläche unterstützt werden?
Worin wir uns jedoch mit Herrn Wippel einig sind ist, dass es mehr jugend- und soziokulturelle Orte als Begegnungs- und Dialogräume in den Stadtteilen geben muss. Das haben wir bereits im Rahmen des Beteiligungsverfahrens zur Kulturentwicklungsplanung gefordert und werden uns auch zukünftig dafür einsetzen. Dazu bedarf es einer Aufstockung der Mittel und keiner Kürzung oder einer Umverteilung, denn diese Orte müssen auch entsprechend koordiniert und verwaltet werden. Die Konsequenz aus den geforderten Kürzungen ist dementsprechend die Verringerung der Professionalität, der Qualität der Arbeit und der Qualifizierung der Mitarbeiter:innen.
Dass es aber keine oder wenige Jugendclubs oder andere Kulturorte in anderen Stadtteilen gibt, ist nicht richtig. Viele Initiativen, Vereine und freien Träger der Jugendhilfe, die unter anderem mehrere Jugendtreffs verwalten, setzen sich genau dafür ein, Beispiele wie das WB21, das Effi, das Haus der Jugend, das Basta, das Mehrgenerationenhaus, das Kühlhaus, die Ca-Tee-Drale, das Kinder-Kultur-Café Camaleón, der Filmclub von der Rolle im Camillo, der Studierendenclub, der Stadtteiladen in der Südstadt und viele mehr.
Darüberhinaus braucht die Stadt Görlitz eine jugend- und soziokulturelle Einrichtung mit regionaler Bedeutsamkeit, die sich aktiv an der Sicherung, Professionalisierung und Vergrößerung der Soziokultur einsetzt (5). Das hat zuletzt das Forschungsprojekt Relocal erforscht und unsere Wirkung bestätigt (6).
Wie entstehen unsere Inhalte?
Uns ist jedoch sehr bewusst, dass sich nicht alle Menschen von uns repräsentiert fühlen, sowie nicht alle Menschen ins Theater gehen, Musikschulen besuchen oder die Stadtbibliothek nutzen. Dennoch sind es bedeutsame Einrichtungen, die einer Förderung bedürfen. Wir können nur darauf verweisen, das die RABRYKA ein Ort ist, dessen Inhalte durch das aktive Mitgestalten der Bürger:innen geprägt wurde und weiterhin wird. Sie sind das Ergebnis des Austestens und eines langen Reflexions- und Dialogprozesses. Diese Offenheit unterscheidet uns von den meisten Einrichtungen der Stadt. Wir schicken in den seltensten Fällen Menschen mit ihren Ideen weg, sondern vermitteln sie an die vielen Vereine weiter.
Am 15. Juni ab 10:00 wird das wieder im nächsten Planungstreffen in der RABRYKA möglich.
War es nun Schließung, Abbruch oder gerechte Verteilung?
Übrigens: Die RABRYKA zu schließen hat Herr Wippel schon am 23. Juni 2018 in einer Pressemitteilung in der sächsischen Zeitung gefordert. Eine Aussage in der Veranstaltung „Wer wird neue/r OB?“ im Theater Görlitz (7), ließ anschließend genügend Interpretationsspielraum, so dass im OB-Video des A-Teams (8) die Schließung der RABRYKA als Programmpunkt auftaucht. Korrigiert haben wir diese Aussage des A-Teams, nach der Klarstellung von Herrn Wippel bei „Jugend im Gespräch...“ unter jeglichen veröffentlichten Videos.
Görlitz ist lange nicht mehr das bundesweite Schlusslicht und hat viele Herausforderungen in den vergangenen Jahren gemeistert, wie die Sanierung der Altstadt, das Verlangsamen des Bevölkerungsrückganges, der Aufbau neuer Einrichtungen für Sport und Kultur, die Nutzung des Leerstandes, die Annäherung an Zgorzelec. Das geschah, weil Menschen nach vorne geblickt haben und die Potenziale der Stadt aktiv genutzt haben. Wir brauchen die positiven Geschichten der Menschen, die sich in dieser Stadt engagieren.
Natürlich ist nicht alles perfekt und wir haben noch viel zu leisten, doch dafür stehen wir genauso wie viele andere Menschen, die diese Stadt lieben gelernt haben.
Damit rufen wir alle Görlitzer:innen auf am 16. Juni zur Wahl zu gehen.
Quellen:
1) https://www.facebook.com/ateamgr/videos/2207950102635429/ab Minute 13:30
2) OB-Gespräch im Theater vom 4.6.2019
3) https://www.youtube.com/watch?v=L2Od0c5Ngx0 ab Minute 7:20
4) https://www.sw4ob.de/10-thesen/
5) Mit der Unterstützung der RABRYKA haben sich bereits mehrere Vereine ausgegründet wie der Kolaboracja e.V, der Ton.Labor e.V. und das Neisse Centre for Contemporary Art e.V.
6) https://relocal.eu/local-youth-as-urban-development-actors/
7) https://youtu.be/fzugGgLnyd8?t=680 Ab Minute 11:20
8) https://www.youtube.com/watch?v=ImkiCh4mnw8